Sommerpause

Nachdem sich dieser Blog – u.a. auch wegen einer noch nicht auskurierten Sehnenscheidenentzündung – in den letzten Wochen tendenziell eher etwas zurückhaltend gezeigt hat, wird hiermit verkündet, dass wir uns bis 15.09. in der Sommerpause befinden. Nichtsdestotrotz ergeht die herzliche Einladung an alle, sich im Rahmen der bestehenden Themen zu beteiligen. Vom Streik über leidende Leitende bis hin zum großen Thema Flüchtlinge gibt es mit großer Wahrscheinlichkeit genügend Optionen, Anschlüsse an bestehende Diskussionen herzustellen. Wie gehabt ist dabei (fast) alles erlaubt.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Sommer 2015!

Flüchtlinge

Das Thema ist ja im Moment ganz groß – auf unterschiedlichste Arten und Weisen. Aktuell erleben wir ein Ausmaß an Zuwanderung, welches wir in dieser Form (aus welchen Gründen auch immer) scheinbar nicht erwartet haben bzw. wurde die Erwartung oder die Möglichkeit von Menschenbewegungen aus Regionen, in denen Krieg stattfindet zu Regionen, in denen kein Krieg stattfindet nicht hinreichend kommuniziert. Nun sind wir als Gesellschaft damit konfrontiert und scheinbar damit auch etwas überfordert.

Wie positioniert sich hier nun die Soziale Arbeit? Wie geht sie in Diskussionen, in denen die Ansichten  klassisch nach zweiwertiger Logik (pro/contra, links/rechts, usw.) gegenüberstehen? Mit welcher Zielrichtung geht die Soziale Arbeit das Thema an? Welche Vorschläge hat sie für einen mittel- bis langfristig sinnvollen Umgang mit der Thematik?

Ich möchte an dieser Stelle zu einem Diskurs einladen, der versucht, Perspektiven aufzumachen, die möglichst vielfältig anschlussfähig sind und damit in den konkreten Bezügen vor Ort evtl. zur Anwendung kommen können.

Ich danke schon jetzt allen, die sich bei diesem Projekt beteiligen.

 

True Detective – Trainingsmöglichkeiten für Systemiker (Teil 1)

Zuallererst möchte ich einen aufrichtigen Dank an Kommentator 0/1 aussprechen, der mich zu diesem Beitrag inspiriert hat. Der Austausch über Übungsmöglichkeiten für leidende Leitende/leidende Leistende/leistende Leitende/leistende Leidende/usw. hat mich in der Tat dazu angeregt, über Formen des Trainings für systemische Soziale Arbeit nachzudenken.

Die Möglichkeit, die ich heute vorschlagen möchte, kostet wenig und macht vielleicht auch Spaß. Inspiriert zu dieser Form des Trainings wurde ich durch Wilfried Hosemann, der für mich damals im Studium Filme als Referenz im Kontext von Sozialer Arbeit etabliert hat. Mit den Jahren habe ich viele Filme auf eine Art und Weise angesehen, die ich vermutlich ohne diese Irritation nicht in dieser Art und Weise gesehen hätte (siehe auch meine Referenz an The Big Lebowski weiter unten im Blog). Insofern geht ein noch größerer Dank an Wilfried Hosemann.

Ich habe gerade zum 4. Mal das Vergnügen gehabt, die Miniserie True Detective zu sehen, die auf für meine Begriffe sehr tiefgehende Art und Weise Kommunikation, System/Umwelt-Differenzierungen und Beziehungen erforscht und nebenbei noch allerlei mehr oder auch leider weniger lustige Geschichten (nach Heinz von Foerster) über den Sinn des Daseins zur Verfügung stellt und dadurch Konstruktionen von personenbezogener Identität, Funktionalität und Zweck reflektiert. Verpackt ist das ganze in eine abgründige Thriller-Story, welche die Motive des Genres gezielt bedient und im o.g. Sinne weiterentwickelt. Oberflächlich ist es ein klassisches „Whodunnit?“ doch nach dem 4. Mal 8 Stunden Vertiefung in dieses Werk kann ich sagen, dass da mehr drin steckt.

Was kann man da jetzt trainieren? Was soll der Schmarrn? Meint der das jetzt Ernst?

Nun: Ich könnte jetzt viel erzählen. Würde dies allerdings auf der Basis einer gemeinsamen Referenz. Ich schlage deswegen True Detective vor.

Hat wer eine andere Idee? Ich stehe halt einfach auf amerikanische Filme 😀

 

Wie geht´s denn nun rein ins Labyrinth?

Meister Luhmann hat seine Theorie ja mal als Labyrinth bezeichnet (in Abgrenzung zu einer Schnellstraße zum frohen Ende). Systemtheorie scheint nur schwer in ihrer Gesamtheit greifbar… sie ist nichts was ich irgendwann verstehen werde – zumindest nicht so wie ich bis dahin Verstehen im Sinne von endgültigem Erfassen verstanden habe. Die Theorie stellt mir vielmehr ein Set aus Begriffen (die allerdings mehr als Variablen als begreifbare Dinge zu verstehen sind) zur Verfügung, welche in ihren Relationen zueinander gesetzt werden. So ensteht ein Raster, welches Muster, Symmetrien und Zirkularitäten auf einer sehr abstrakten Ebene (ich denke, genau an dieser Stelle wird der Systemtheorie auch gerne Praxisferne, Kälte, usw. unterstellt – was für ein Quatsch!) verortbar macht. In dieses Raster fügen sich dann Phänomene ein und werden in ihren Mustern, Symmetrien und Zirkularitäten beschreibbar.

Eine Form, die sich öffnet für Vielfalt und Uneindeutigkeit… und gleichzeitig für äußerst scharfe Interpunktionen ein Vokabular bereitstellt. Einmal drin kommt man nicht mehr raus. Das sollte jedem klar sein, der ins Labyrinth rein will. Doch genau da drin fängt der Spaß erst richtig an!

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Systemisch leiten?

Besonders herausfordernd empfinde ich den Umgang mit der Frage, wie denn eine systemische Kultur der Leitung möglich ist? Wie können denn Entscheidungen getroffen werden, wenn die Folgen der Entscheidung eigentlich nicht absehbar sind? Wenn es genauso gute Gründe für etwas gibt wie gegen etwas oder für etwas anderes? Wenn die Anzahl der Möglichkeiten in eine Qual der Wahl umkippt? Wann drehe ich welche Feedbackschleifen und beziehe MitarbeiterInnen in die Entscheidung mit ein? Wann lasse ich sie draußen und nehme die Feedbackschleifen nach der Entscheidung (oft in Form von Kritik oder Unzufriedenheit, wenn sich die MitarbeiterInnen von der Entscheidung irritiert zeigen) in Kauf?

Mit welchem Sensorium und anhand welcher Kriterien kann ich „gute“ Entscheidungen treffen? Woran kann ich mich da orientieren?

Eigentlich sind wir ja in den unterschiedlichsten Kontexten mit solchen oder ähnlichen Fragen beschäftigt – ob als Berater, Kollege oder eben als Führungskraft. Was unterscheidet die eine Entscheidung von der anderen?

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Die Bots übernehmen die Herrschaft

Zumindest in diesem Blog… bzw. trachten sie danach. Die scheinbar höchste Aktivität geht aktuell von Spam-Bots aus bzw. von meinen Versuchen, der schieren Flut Einhalt zu gebieten. Alleine von gestern Abend bis heute Morgen waren es sicherlich 120 wohlmeinende Einzeiler, welche die Beiträge hier kommentieren. Die systemische Wertschätzung scheint auch im Spamdesign Einzug gehalten zu haben. Ein paar Beispiele:

Hey, that’s a clever way of thinking about it.

That’s a slick answer to a challenging question.

Brilliance for free; your parents must be a sweetheart and a certified genius.

Thanks alot – your answer solved all my problems after several days struggling.

This piece was a lifejacket that saved me from drowning.

Learning a ton from these neat articles.

Da könnten doch glatt ein paar Tränen der Rührung vergossen werden. Leider habe ich derzeit keinen Bedarf an Autoversicherungen, Viagra oder sonstigen Mitteln gegen Erektionsstörungen. Da müssen wir uns was einfallen lassen 🙂

[Bitte hier einen Aprilscherz einfügen]

Ein Aprilscherz ist doch eigentlich ein schönes Beispiel für sozial definierte Unterscheidungslogiken. Aprilscherze machen es den Scherzbolden insofern einfach, als dass sie zeitlich relativ eindeutig eingegrenzt sind. Ein Aprilscherz am 2. April ist eben kein Aprilscherz mehr. Darüber hinaus kann am 1. April im Prinzip fast alles als Scherz verkauft werden. Es muss nicht mal lustig sein. Die Zuordnung lustig/nicht-lustig wird an diesem Tag aufgehoben. Da darf jeder witzig sein. Die zeitliche Zuordnung schützt zudem vor (allzuviel) Peinlichkeit – das ideale Übungsfeld für zukünftige Scherze.

Was am 1. April als Scherz funktioniert kann am 2. April schon keiner mehr sein. Darum Beeilung – heute kann man sagen, was man schon immer sagen wollte! Wichtig ist nur, das „April, April!“ nicht zu vergessen, sonst vergisst der andere am Ende, dass es nur als Scherz gemeint war. Wieso führt man ein solches Ritual eigentlich nicht das ganze Jahr über ein? Das wäre doch mal eine sinnvolle EU-Richtlinie.

Verboten werden dann nur „Deine Mudder“-Sprüche. Schade eigentlich!

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Kontingenzbewusstsein

Regelmäßige Kinogänger, die sich auch gerne damit befassen, wie Filme entstehen, hatten schon länger die Chance, zu wissen, dass man den Bildern eben nicht bedingungslos vertrauen sollte bzw. dass es ratsam ist, ihnen mit einem gewissen Kontingenzbewusstsein zu begegnen.

Was oder wie es nun wirklich war, interessiert mich nicht. Mir erscheint es doch heilsam, wenn unser Glaube an die Macht der Bilder etwas erschüttert wird.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/jan-boehmermann-varoufakis-stinkefinger-in-video-manipuliert-a-1024321.html

 

Antifragilität II

Ich bin nach wie vor bei der Lektüre.  Einem Connaiseur der Systemtheorie im Kontext von Sozialer Arbeit können viele Motive im gleichnamigen Büchlein durchaus bekannt vorkommen: ungeplante Nebenfolgen des Handelns, Nichtwissen als Ressource, Emergenz (um nur einige zu nennen).

Was mich dabei jedoch besonders fasziniert, ist der Umstand, dass ein Wirtschaftsfachmann und ehemaliger Trader an der Wall Street sich für derlei Motive ausspricht und quasi im Rundumschlag einige radikale Umdeutungen zu allseits anerkannten Grundannahmen vornimmt: Mir gefällt dabei der Gedanke besonders, dass Evolution sich nicht anhand von Plänen, Konzepten und Zielvorgaben orientiert, sondern „wild“ und zufällig nach Versuch und Irrtum. Es gehe darum, bewusst blind für die Zukunft zu agieren und Prognosen äußerst skeptisch zu begegnen, weil diese immer aufgrund der Daten der Vergangenheit erstellt werden.

Für eine abschließende Rezension des Buches von Nicholas Taleb ist es noch zu früh. Ich werde dran bleiben.

 

Was Soziale Arbeit von der Kampfkunst lernen kann…

Bereits jetzt könnte ich mich in den Allerwertesten beißen, dass ich dieses Fass hier mit der Überschrift aufgemacht habe –  aber ich will es mir jetzt nicht einfach machen, deshalb versuche ich jetzt mal ein paar Gedanken zu formulieren und lehne mich etwas aus der Comfort Zone…

Wer mag, darf sich beim Lesen die Musik anhören, die ich beim Schreiben gerade höre: https://www.youtube.com/watch?v=3uQAzmIQIIc

Bereits im Studium kam ich mit Pekiti Tirsia Kali, Tai Chi und Qui Gon in Berührung und schon damals erschienen mir die Motive der Systemtheorie irgendwie sehr nah an den Motiven oder der „Lehre“ der Kampfkünste, die sich mit durchaus unliebsamen Formen von Kommunikation bzw. Konflikten befassen – letztendlich geht es ja um Fragen und Konsequenzen, die das Phänomen Gewalt mit sich führt. Mir ist es in der Regel allerdings lieber, das v.a. auf den Umgang mit Konflikten anzuwenden. Bekannte, Freunde und Lehrer haben sich noch mit anderen Kampfkünsten, wie z.B. Wing Tsun, Aikido oder Jiu Jitsu befasst und ich meine, dort ähnlich Motive zu entdecken.

Die eigentlichen Prinzipien von Strategie und Taktik und der Kern der einzelnen Disziplinen sind dabei recht abstrakt und erschließen sich nur durch kostantes Üben. Ich verweise dabei gerne auf „Zen in der Kunst des kampflosen Kampfes“ von Takuan oder „Wahrhaft siegt, der nicht kämpft“ von Sun Tsu, die m.E. noch am Ehesten in Worten beschreiben, welche Komplexität in den Disziplinen steckt.

Worüber ich allerdings besonders gerne meditiere und dabei lerne, lerne, lerne:

1. Wenn Du die Auseinandersetzung vermeiden kannst, dann vermeide sie. Es geht nicht um Ehre, Gewinnen oder Verlieren. Es geht darum gesund und am Leben zu bleiben. In die Auseinandersetzung gehst Du nur, wenn Du nicht flüchten oder ausweichen kannst oder wenn Freunde, Familie und Schutzbefohlene in Gefahr sind.

2. Es ist wichtig, dass Du Dich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Konzentriere Dich auf Dich, Deine Fähigkeiten, welche Hilfsmittel und Ressourcen Du einsetzen kannst. Konzentriere Dich nicht allzusehr auf Dein Gegenüber im Konflikt. Du kannst nur mit dem arbeiten, was Du hast.

3. Suche den Kontakt zum Gegenüber. Nur im Kontakt kannst Du spüren, wie sich der andere bewegt, wo seine Kraft hingeht, welche Impulse er setzt. Wenn Du seine Kraft spürst, setze Deine Kraft nicht dagegen, sonst verstärkst Du seinen Impuls.

4. Achte auf Deinen Standpunkt und auf Deine Balance. Gehe aus den Angriffen Deines Gegenübers heraus und lasse sie an Dir vorbei gehen. Nehme den Standpunkt ein, der Dir die Möglichkeit gibt, Deine Ideen zu verwirklichen.

5. Webe Dein Netz in die Bewegungen Deines Gegenübers – im Idealfall bewegt sich Dein Gegenüber so wie Du es willst. Wenn sich die Gelegenheit bietet, beende die Auseinandersetzung, indem Du ihm die Möglichkeit zum Angriff nimmst – oder Du kannst die Auseinandersetzung verlassen (siehe 1.).

Meine Erfahrung ist, dass der berufliche Alltag von großen bis kleinen Konflikten durchzogen ist – im Kollegenkreis, mit den Adressaten unserer Arbeit, mit Kooperationspartnern, Geldgebern oder Auftraggebern. Als Profession ist die Soziale Arbeit m.E. anfällig dafür, diese Konflikte im Streben nach Harmonie oder reibungslosen oder fairen Strukturen und Prozessen auszublenden oder klein zu reden – mitunter auch um den Preis, dass sie ihre Identität vernachlässigt oder zu sehr an externen Kontexten festmacht (siehe auch die Frage nach der Eigenständigkeit von Herrn Eger). Meine Erfahrung ist auch, dass es sich durchaus anbietet, Konflikte gezielt einzugehen, um nach einer Klärung zu streben – eine Eskalation zu suchen, um die Wahrscheinlichkeit einer größeren Eskalation zu verringern. Ob ich damit (immer) richtig liege? Vermutlich nein…

 

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