Besonders herausfordernd empfinde ich den Umgang mit der Frage, wie denn eine systemische Kultur der Leitung möglich ist? Wie können denn Entscheidungen getroffen werden, wenn die Folgen der Entscheidung eigentlich nicht absehbar sind? Wenn es genauso gute Gründe für etwas gibt wie gegen etwas oder für etwas anderes? Wenn die Anzahl der Möglichkeiten in eine Qual der Wahl umkippt? Wann drehe ich welche Feedbackschleifen und beziehe MitarbeiterInnen in die Entscheidung mit ein? Wann lasse ich sie draußen und nehme die Feedbackschleifen nach der Entscheidung (oft in Form von Kritik oder Unzufriedenheit, wenn sich die MitarbeiterInnen von der Entscheidung irritiert zeigen) in Kauf?
Mit welchem Sensorium und anhand welcher Kriterien kann ich „gute“ Entscheidungen treffen? Woran kann ich mich da orientieren?
Eigentlich sind wir ja in den unterschiedlichsten Kontexten mit solchen oder ähnlichen Fragen beschäftigt – ob als Berater, Kollege oder eben als Führungskraft. Was unterscheidet die eine Entscheidung von der anderen?
Die Frage stellt sich wohl allen, die in Leitungsfunktion sind. Die Kategorien Programm bzw Sinn könnten hier Hilfestellung leisten. Ich gehe davon aus, dass es immer wichtig ist in den Diskurs (evtl auch langwierigen und konflikthafeten Diskurs) zu gehen, wenn Irritationen von außen eine Auseinandersetzung bzw Korrektur der eigenen Sinnzusammenhänge und Programm erfordert. Luhmann „Ökologische Kommunikation“ oder auch https://www.youtube.com/watch?v=0bmsDQkWutc haben mir hier Anregungen gegeben. Nicht alle Impulse von außen werden vom System aufgenommen. Da kann Leitung einsam sein.
Woran wärmen sich eigentlich die einsamen systemischen Leitungskräfte auf? An der Vorstellung, die Klienten wären so wie die Experten für ihr Leben oder der angeblichen Nicht-Steuerbarkeit der Systeme?
Wilfried Hosemann
an der hoffnung mehr und länger kohle zu verdienen und die im sozialen bereich beschäftigten zu noch mehr leistung bei immer weniger geld und selbst zu bezahlenden fortbildung klein zu halten oder selbst wirtschaftlich lukrativere modelle zu entwerfen und zu versuchen andere gute arbeit auszustechen:
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/systemische-therapie/-/id=660374/did=15195898/nid=660374/1delghm/index.html
besser dagegen:
milo rau’s idee der veränderung durch real simulation (mit u.a. systemischer ideen!)
http://www.ardmediathek.de/radio/Nachtstudio-Bayern-2/Was-tun-Das-Real-Theater-des-Milo-Rau-/Bayern-2/Audio-Podcast?documentId=27545810&bcastId=7262400
Hallo 0/1
Was bestimmte Praktiken und Auftretensweisen angeht, kann ich Deine Kritik und Deinen Ärger nachvollziehen.
Schwieriger wirds für mich, wenn systemische Ideen, Innovationen und Ansätze in den selben Sack gesteckt werden. Noch mehr Schwierigkeiten habe ich, Raus Theater als Alternative zu begreifen. Für/Zu was?
Beste Grüße
Wilfried Hosemann
dank für die rückmeldung wilfried hosemann,
ich sehe milo raus theater nicht als alternative für die soziale arbeit. ich halte den ansatz für politisch sehr wirksam, wie man beim pussyriot beispiel in russland verdeutlicht bekam.
allein die vorstellung, dass sich mitarbeiterinnen öffentlicher und privater träger sozialer arbeit anstatt wie immer öfter gegeneinander, gemeinsam besprechen und koordinieren, um ihre gute arbeit nicht kleinmachen zu lassen, ihren auch materiellen wert wieder einzufordern finde ich elektrisierend. das könnte die zukünftige leitungskraft als leitungskraft sozialer arbeit – nicht primär eines trägers auszeichnen. ich habe mal gelesen, dass es neben der funktionssystemischen idee organisationen sozialer arbeit geben soll – wenn das so sein kann, dann könnte es ja auch sein, dass es leistungskräfte sozialer arbeit geben könnte – und ich spreche dabei nicht von leitungskräften sozialer wirtschaft- auch wenn es wahrscheinlich kein Fehler sein muss, davon etwas zu verstehen, die genau an dieser stelle arbeiten. das wäre für mich systemisch hilfreich. auf beide seiten des zauns gilt es zu schauen: das unkraut des nachbarn und seine schnecken werden auch meine. sein bach, kann meine pflanzen wässern wie auch mein spaten ihm zur hilfe kommen kann. erntedank ist im herbst, nach der gemeinsamen arbeit. und erntedank allein feiern ist langweilig oder etwa nicht?
Reibung schafft Wärme. Aber ich meine trotzdem eher an gelungenen Kommunikationen im System.
korrektur zu 0/2 19.5. 21:27: „leitungskraft“ soll es heissen, die auch gerne leistung zeigen darf.
Leider mache ich immer wieder die Beobachtung, dass Sozialarbeiter gerne darüber jammern (z.T. auch zu Recht), dass der Wert ihrer guten Arbeit nicht erkannt oder gewertschätzt wird. Im Anschluss daran besteht dann oft die große Wahrscheinlichkeit, dass dann noch mehr gejammert wird, dass der Wert der guten Arbeit nicht erkannt oder ausreichend gewertschätzt wird. Dann werden gerne, „die da oben“ benannt, die dafür verantwortlich sind (Vorgesetzte, politische Entscheidungsträger, usw.).
Freilich kann die Kooperation unter Kollegen über den Tellerrand der eigenen Organisation hinaus dazu beitragen, hier für eine Veränderung zu sorgen.
Viel spannender finde ich es jedoch, Kooperationen und Aushandlungen mit „denen da oben“ einzugehen und selbstbewusst eigene Perspektiven der Sozialen Arbeit zu formulieren, den Erfahrungsschatz rückzukoppeln und den eigenen Wert nicht herbeizujammern sondern deutlich zu machen. Dazu erscheint es wichtig, die Anschlussstellen zu identifizieren und die eigenen Zusammenhänge daran anzuknüpfen.
Mit anderen Worten:
http://dgssa.de/blog/?p=98
„Webe Dein Netz in die Bewegungen Deines Gegenübers – im Idealfall bewegt sich Dein Gegenüber so wie Du es willst.“
Wohlgemerkt: Das, was ich beschreibe, ist kein Allheilmittel, funktioniert bisher aber für die Zusammenhänge, in denen ich mich bewege.
Hallo,
ich fang schon an, mich auf den Herbst zu freuen.
Mich hat die Differenz zwischen Leitungskraft (Leistungskraft) für Träger und Leitungskraft (Leistungskraft) für Soziale Arbeit gepackt.
Gibts für die Differenz einen eigenen Namen? Könnte man, wenn man sich die Klienten/Adressaten usw. als dritten Bezugspunkt denkt, ein Dreieck mit verschiedenen Winkeln berechnen?
Könnte man Doppelorden erfinden? Eine Seite für Trägerleistung, eine für Leistung für Soziale Arbeit?
Bei der feierlichen Verleihung der Orden (als öffentliches Theater, nicht unbedingt im Theater), würde ich sofort mitmachen.
Das aktuelle Dreieck mit den Klienten wird dann noch interessanter, wenn man bedenkt, dass der Klientenbegriff in Auftraggeber (aka Geldgeber) und Zielgruppe des Auftrags differenziert werden kann/muss. Dann hat man gleich eine schöne kleine Matrix, in der jeder mit jedem in Relation steht. Aus drei Relationen im Dreieck werden dann gleich mal schlappe sechs. Ich glaube bei Baecker (Postheroisches Management) habe ich den schönen Satz gelesen (der so in der Art ging):
„Die Komplexität einer Organisation bemisst sich nicht an ihrer Größe, sondern an der Zahl der Möglichkeiten von internen Kopplungen ihrer Elemente.“
Das gilt auch in diesem Fall: sechs Möglichkeiten sind komplexer als drei (würde ich meinen…).
Wie kann da Leitung stattfinden/nicht-stattfinden, die Leistung ermöglicht, die Auftraggeber und Zielgruppe zufriedenstellt/nicht-zufriedenstellt? Was kann die Leistungsseite tun/oder nicht-tun… usw.
ich finde die Orden-Idee auch interessant!
Wo gibt es denn für herausragende sozialarbeiterische Leistungen einen (eigenen!) Sozialarbeiterorden?
Wie würde das dann öffentlich zelebriert?
Bayern wurde Meister. Ingolstadt ist aufgestiegen, da gibts Skripte, wo der Sozialen Arbeit?
Ich kenne da mindestens ein Land, auf das wohl niemand so schnell kommen würde, wo gerade der zweite Band der „Gesellschaft für Soziale Arbeit“(des(nicht deutschsprachigen) Landes)
mit dem Titel „Schätze Sozialer Arbeit“ herauskommt und in dem jeweils 30 besondere Leistungsträger und deren Werk der letzten 3-4 Dekaden gewürdigt wird- Das wäre doch ein Vorbild an dem man sich orientieren könnte- oder? 4 weitere Bände sind in Planung.
Übrigens wird dort die Leistung für die Soziale Arbeit honoriert!
@Herrn Gerstner, was könnten wird denn damit, so praktisch im Alltag, der ziemlich dicht mit dem Tagwerk gefüllt ist anfangen? Da fände ich Ausdeutung in form von Beispielen spannend- haben sie welche parat, die wir hier beispielhaft anschauen könnten?
Wo findet sich denn (entschuldigen Sie das erneute Jammern!) die Zeit etwas anspruchsvolles zu lesen und daraus etwas zu basteln? Wo findet sich die Möglichkeit in der Arbeit z.B. bessere Kontraktgestaltung (gerne zwischen uns und „denen oben“) zu üben, sich vorzubereiten? wie soll ich das meinem Chef klarmachen, dass ich (und wahrscheinlich auch meine KollegInnen) da sehr unsicher bin/sind? dafür Zeit und Training brauche)
In meiner Freizeit, in der ich mich vom Alltag erholen will? Minus Zeit für Kinder, Frau, Familie dem Ausgleichssport -musizieren…?
selbst in der 3.Liga wird täglich allerlei trainiert, eine Musikkapelle/ Orchester probt regelmäßig, SAP-Anwender werden ebenfalls auf Schulungen geschickt und dafür bezahlt!
die systemischen Sozialarbeiter sollen sich auf eigene Kosten zertifizieren lassen- ein Witz!-
An den Beschäftigten Sozialer Arbeit wird mächtig parasitiert – der Markt dafür boomt! Fortbildungsinstitute gibt es in Massen – aber wo werden die Schnittstellenleute, die Leitungs- und Leistungsleute so gut ausgebildet, dass sie nicht den oft zitierten Hallefehler begehen / in diese Falle hineinfallen?
Dank in die Runde für die Stimulation!
aber sie tuns.
@0/1: Gerade erst aus dem Urlaub zurück. Deshalb hat es jetzt solange mit der Freigabe des Kommentars und meiner Resonanz darauf gedauert:
„selbst in der 3.Liga wird täglich allerlei trainiert, eine Musikkapelle/ Orchester probt regelmäßig, SAP-Anwender werden ebenfalls auf Schulungen geschickt und dafür bezahlt!“
Eben! Deshalb als Beispiel ein Motto aus meinem Poesiealbum:
Ich befinde mich immer im Training!
Wo kann man das permanente Training den lieben langen Tag mit Gleichgesinnten unterstützen und neue Sachen einüben? Im System-Dojo? Hier vielleicht? Keiner da? Selber einen Dojo aufmachen? Geld dafür ausgeben? Kein Geld dafür ausgeben? Geld dafür verhandeln? Als Fortbildung anmelden? Für bessere Arbeitsbedingungen argumentieren oder streiken? Das Bildungssystem verbessern?…
Was soll ich denn sagen?
„Fortbildungsinstitute gibt es in Massen – aber wo werden die Schnittstellenleute, die Leitungs- und Leistungsleute so gut ausgebildet, dass sie nicht den oft zitierten Hallefehler begehen / in diese Falle hineinfallen?“
Ja genau! Wo denn? Hier? Vielleicht? Oder vielleicht dort? Oder überhaupt nicht?
Nein, Im Ernst: Ich sehe es in der Tat auch als schwierige Frage an, wie denn das alles zu bewerkstelligen sei. Die Frage ist , auf was ich warte, mit dem Training anzufangen? Beim Laufenlernen hat es mir auch niemand so wirklich gezeigt. Woran orientieren? Wie das Gleichgewicht halten? Wie Laufen, wenn man erst mal steht? Oder denke ich da falsch? Bringt das Denken an dieser Stelle überhaupt etwas?
Danke für Ihre Fragen!