Streik ?

Streiken Systemiker?
Auf welcher Seite von was sind Systemiker anzutreffen?
Haben Systemiker einen eigenen Begriff für Solidarität?

Aktuelle Fragen: aber auch solche, die auf der Jahrstagung in Potsdam gestellt werden.

Ich würde gerne jetzt schon mit der Diskussion beginnen.

Wilfried Hosemann

20 thoughts on “Streik ?

  1. Können Systemiker in konfessionellen Organisationen Sozialer Arbeit(?) arbeiten?
    In z.B. Katholischen Einrichtungen geben SozialarbeiterInnen ihr Streikrecht auf.
    Gibt es katholische oder evangelische, jüdische, muslimische, buddhistische, hinduistische, castañedasche… SystemikerInnen?

  2. Spontan fallen mir Gedanken dazu ein:
    1. Streik ist eine Form von Intervention. Die „alltäglichen“ Muster werden durch einen spezifischen Akt interpunktiert, infrage bzw. zur Disposition gestellt. Insofern müsste der streikende Systemiker sich fragen auf welcher Ebene welcher Streik zu welcher Interpunktion ansetzt?
    2. Streik ist insofern als problematisch einzustufen, als das er die Logik des Ultimatumsspiels befördert. In diesem Sinne kann er als eine Konflikteskalation betrachtet werden. Im Rahmen eines Konfliktes werden dann meistens Seiten bemüht, um Verantwortung zuzurechnen.
    3. Solidarität wäre in dieser Logik ein Referenzwert, der auf die (Mit-)Übernahme von Verantwortung für eine spezifische Seite markiert: X erklärt sich solidarisch mit Y bzw. der Sachen von Y. Ist Streik „das“ Medium zur Bekundung von Solidarität?
    4. Welche Möglichkeiten des Streiks gibt es denn?
    5. Ob Systemiker streiken, erscheint insofern erst einmal als offene Frage, die kontextfrei nicht zu beantworten ist.

    Ich für meinen Teil habe schon das eine oder andere Mal gestreikt.
    Ob als Systemiker, Mitarbeiter, Kollege, potenzieller Auftragnehmer, Aushilfsbuddhist, Exchrist, gnostischer Agnostiker, Hobbymusiker, Ehemann, Vater, usw. bleibt für mich dabei erstmal irrelevant.

    Ganz schön große Fragen… Danke Wilfried. Gehe jetzt erstmal mit vielen Fragen ins Bett.

  3. Hallo,

    die Fragen sind nicht einfach und bequeme Antworten sind nicht in Sicht.

    Der aktuelle Streik betrifft auch systemisch orientierte Sozilarbeiterinnen und Sozialarbeiter:

    http://www.dbb.de/dokumente/geschaeftsbereich_tarif/2015/Flugblatt_Sozial_u_Erziehungsdienst_2015_Nr7_dbb.pdf

    Was sagen die unmittelbar Beteiligten?

    Aus meiner Sicht sind Konflikte und Eskalationen nicht per se negativ oder positiv. Hilft dieser Streik (Konflikt) die Wahrnehmung und Anerkennung von Sozialer Arbeit neu auszurichten? Was müsste passieren, damit eine höhere, positivere, autonomere Wahrnehmung erweitert wird? Wer müsste sich wie verhalten?

    Wilfried

    • Hallo Wilfried,
      äußerst spannende Fragen, die Du da formulierst. Sie abschließend zu beantworten erscheint mir in der Tat schwer möglich. Als Diskussionsbeitrag stelle ich nichtsdestotrotz einfach mal eine These in den Raum:

      Meiner Ansicht nach wird eine dauerhafte Veränderung im Hinblick auf die Wahrnehmung und die Anerkennung von Sozialer Arbeit hauptsächlich auf ihrer Leistungsseite wahrscheinlich:
      a) Durch die Definition von abgrenzbaren Leistungen
      b) und durch die Nutzung von entstehender Komplexität durch die Unterscheidung zwischen Leistung/Nicht-Leistung
      c) in Form von kontinuierlichen Aushandlungsprozessen mit Kopplungspartnern von Sozialer Arbeit (Geldgeber, Auftraggeber, Adressaten, Kooperationspartner, usw.).

      Dieser Beobachtungsmodus sollte Anschlussmöglichkeiten im Hinblick auf die Entscheidung bereitstellen, wie sich systemische Soziale Arbeit ganz konkret in ihren Bezügen vor Ort verhalten kann. Gleichzeitig ermöglicht er m.E. die Aufrechterhaltung einer gemeinsamen Referenz oder Zielfrage „Wie kann die Wahrnehmung und die Anerkennung von Sozialer Arbeit verändert werden?“.

      LG Michael

  4. Hallo Michael,

    ich denke, der Streik bietet noch mehr Möglichkeiten über Anerkennung nachzudenken. Z.B.:
    – Streik bringt Kontingenz für andere soziale Systeme (und auch Funktionssysteme). Andere Systeme können nicht mehr berechnen, welche Optionen von den „Streikenden“ gewählt werden.
    – Streik bringt die Möglichkeit sich zu vergewissern, bzw. zu testen, ob die „Streikenden“ eine zur Funktionsstörung fähige Interessenorganisation sind.
    – Streik schafft die Möglichkeit, Interessensverschränkungen wahrzunehmen, Krieterien gemeinsamer soziale Lage zu entdecken.

    Mit der Erfahrung gemeinsamer „Souveränität des Handelns“ werden möglichweise die Orientierungen für Anerkennungsstrategien erweitert.

    Danke für Deine Beiträge!
    Wilfried

    • Hallo Wilfried,
      wenn wir als Kommentarfunktion einen Like-Button hätten, würde ich den zu Deinem Kommentar jetzt glatt drücken. Ich denke, das sind Perspektiven, die eine begründete strategische Entscheidung im Hinblick auf die Ausgangsfrage ermöglichen. Der Anschluss zu meinen Überlegungen liegt für mich darin, dass der Streik als kommunikative Option gerade über die Markierung der Leistungsverweigerung eben genau diese – die Leistung inkl. all der daran anschließenden Fragen, wie z.B. Anerkennung – zum Thema macht. Deswegen kann ein Streik ohne hinreichende Identität auf der Leistungsseite als kritisch bis kontraeffektiv wirken. Gleichzeitig kann der Streik zu eben dieser ständig virulenten Notwendigkeit einer Klärung der Identitätsfrage von Sozialer Arbeit positiv beitragen. An welche dieser Perspektiven nun kommunikativ angeschlossen wird, obliegt wieder einer Entscheidung im System.

      Liebe Grüße aus Bamberg (und in Vorfreude auf die Redaktionssitzung)
      Michael

  5. „Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich erst eine Bahnsteigkarte!“
    Wird Lenin oder Brecht zugeschrieben
    Lässt sich denn daraus etwas praktisches, praxistelevantes für (systemische) Sozarb in streiklicher Hinsicht ableiten? Also keine z.B. theoriegesättigten aber praktisch wertlosen Sätze.
    (Und den Satz dass nichts praktischer als eine gute Theorie sei, habe ich schon gelesen)

    Wenn systemische soziale Arbeit sich lediglich in Form der Produktion wohlfeil formulierter Sätze kapriziert dann fahren die Züge eben ab oder bleiben stehen und die Sozialarbeiterin hat ihre hübschen Sätze artig zu Papier gebracht.
    Kann mir kaum vorstellen dass Alice und Mary, Gertrud das im Sinn hatten, als es um die Herstellung von hesellschaftlicher Gerechtigkeit ging.

    Es kann und darf weiterhin nicht sein, dass einige wenige ihre Risiken in Gefahren für die Mehrheit anderer verwandeln vermögen und sich als Gläubiger letzter Instanz placieren.

    Also was tun?
    Red wine and Whiskey ?
    „Winos don’t march“ (Frank Zappa)

    • Man könnte z.B. ableiten, dass man sich seine Begründungen für einen Streik durchaus überlegen sollte – v.a. im Hinblick darauf, an wen diese wie anschlussfähig sein sollen. Einfach mitlaufen bzw. -streiken nur weil es die anderen machen, könnte im konkreten Kontext durchaus eine andere Wirkung haben als beabsichtigt. Und das erscheint mir als eine sehr praxisrelevante (weil möglicherweise überlebenswichtig für die Praxis) Überlegung.

  6. Lieber Herr Gerstner, werte MitbloggerInnen,

    Da bin ich einer Meinung mit Ihnen; jedoch würde ich aus der bisherig sichtbaren Streikaversion im zweifelsfall für eher dreimal zu viel und zwei Wochen zu lang raten und schlageinheitlich dazu der (lokal-/landes-/bundes-) Politik signalisieren, dass es nicht um einen Kampf gegen sie, sondern um ein Solidarisierungsangebot im Kampf gegen die demokratisch nicht legitimierten Finanzjongleure geht und sich damit an die PolitikerInnen wendet, die Wege abseits des Ideals einer durch Politik von Politik befreiten Marktwirtschaft finden wollen, um damit einerseits der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft und andererseits der gesellschaftlichen Normalisierung Sozialer Arbeit als organisierter Profession genüge zu tun und damit auch die Einkommen deutlich zu erhöhen.

    MfG

  7. Wunderbar! Da haben wir eine Perspektive. Den Rekurs auf die Finanzjongleure würde ich jedoch zugunsten einer Darstellung der Relevanz von Sozialer Arbeit im Hinblick auf die Ermöglichung von gesellschaftlicher Teilhabe austauschen. Diese Referenz erscheint mir doch schlüssiger im Hinblick auf die Stärkung gesellschaftlicher Diskurse gegen die unzureichend reflektierte Nutzung von Grundannahmen und Begriffen, welche für demokratische Prozesse dysfunktional wirken können und eben dadurch Demokratie in ihren System-Umwelt-Verhältnissen unnötig aufs Spiel setzen.

    Dies beinhaltet auch die Frage nach der gesellschaftlichen Wertigkeit bzw. Wertzuschreibung (z.B. über Attraktivität, Anerkennung und Einkommen) im Hinblick auf Soziale Arbeit.

  8. Demokratie /
    suspendierte finanzmediatisierte Demokratie
    Der Körper in der Demokratie sozialer Arbeit:
    soziale Arbeit in der funktional differenzierten Gesellschaft:

    Weiter das Streikthema perturbierend: Vielleicht könnte, nun etwas weiter in die Zukunft Sozialer Arbeit, vielleicht als Menschenrechtsprofession gegriffen, auf einen Zugriff Sozialer Arbeit auf Körper Bezug genommen werden, indem, analog zu Baecker 1996 (Macht im System) durch das Medium des Körpers im Streiks deutlich gemacht wird, dass es ernst ist und die SozialarbeiterIn den Karren nicht weiterhin (für nahezu) umsonst bereit ist, aus dem Dreck, den uns und den unsrigen Klienten die demokratieaversen krawattierten Glücksspielerseilschaften zusammen mit finanzhörigen PolitikerInnen bereiten, baren Fußes zu ziehen.
    Wenn in Paar- oder Ehesystemen Sexualität zum Problem wird, also der Körper- oder Leibbezug thematisiert wird, wenn wie im politischen System (körperliche) Gewalt, oder im System Therapie/Beratung der Suizid (als körperlicher Bezug des Systems, als Nullhypothese ins Spiel kommt) wird ernst verdeutlicht, der kaum ignoriert werden kann und Krise signalisiert.
    Dies sehe ich, als neben vielleicht noch anderen Optionen als die Innen/Außen- Unterscheidung, als die System/Umweltdifferenz an, die eine Diskussion um Streik/nicht-Streik Sozialer ArbeiterInnen als entweder Geschwätz oder deutliche Markierung einer starken Position, um nicht dermaßen regiert zu werden zu verdeutlichen und notwendigenfalls auch gegen Widerstand zu verteidigen bereit wäre. (Vgl dazu die Diskussion von Thomas Macho, Nikolaus Buschmann und dem aktuell mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels gekürten Navid Kermani in der Radiosendung des SWR2 Forum mit dem Titel: „wofür lohnt es sich zu sterben“)
    MfG

    • Hallo,

      die Fragen von Ungleichheit, Exklusion und Körper hat Roberto Dutra Torres in seiner Diss an der Humbolduni aufgegriffen. Der Text ist sehr harte Kost, geht aber über D. Baecker weit (!) hinaus (auch über Luhmann).

      Schöne Grüße
      Wilfried Hosemann

  9. übrigens äußerte sich der eben von der privaten Zeppelin university zur privaten Uni in Witten gewechselte Dirk Baecker zum Thema Demonstrationen anlässlich eines Interviews zum 1.Mai folgendermaßen:
    „Baecker: Der eigene Staat ist derjenige, von dem man die Verbesserung jener Verhältnisse erwartet, deren beklagenswerten Zustand man dem eigenen Staat verdankt. Der Zorn der Demonstranten richtet sich also gegen sie selber. Wer demonstriert, muss vorher schon versagt haben — nicht individuell natürlich, aber doch hochgerechnet auf die Bevölkerung, die jenen Staat hat, den sie verdient.“

    • Hallo,
      wo soll denn unsere Reise hingehen? Ich sehe gerade eine Weggabelung mit drei Anschlüssen/Fragen:
      A) Wie sollen denn die Akteure der Finanzpolitik erreicht werden? Und von wem? Welches „Wir“ kommuniziert mit den vergleichsweise Wenigen, die über die Hälfte des Besitzes verfügen?
      B) Welche Theorien, Ansätze und Methoden stehen denn in der Tradition von Mary, Jane, Alice und Gertrud? Wo würden die sich denn engagieren und wohlfühlen? Für was würden sie streiken?
      C) Schön das Angehörige der Sozialen Arbeit den Streik als Mittel der Kommunikation, der Konfliktregelung und der Autonomie genutzt haben. Wie sieht es bei den Klienten der Sozialen Arbeit aus? Können – dürfen – die auch streiken? und wer ist ihr Gegenüber bei den Auseinandersetzungen?
      Vielen Dank für das Interesse am Thema Streik!
      Wilfried Hosemann

      • Hallo,

        verschiedene Wege scheinen auch die Vermittler und die Vertreter der Streikenden zu gehen.

        Die SZ schrieb am 24. Juni zu den Vermittlungsergebnissen im sogenannten „Kita-Streit“: „Bei den Sozialarbeiteern seien die Verbesserungen hingegen nur „geringfügig“ “ (S. 1).

        Wie sehen die Beiträge aus der Perspektive kritischer oder systemischer Sozialer Arbeit aus?

        Wilfried Hosemann

        • Hallo,

          stellt das Votum der Griechen einen modernen, finanziellen Streik dar?

          Sollte man mit mittel- oder langfristigen Auswirkungen auf die Soziale Arbeit rechnen?

          Welche Argumente für das Verlassen der Zuschauerperspektive gibt es?

          Wilfried

  10. Lieber spät als nie und vielleicht auch hier nicht mehrheitsfähig:

    Wieso glauben die Sozialarbeiter eigentlich, dass sie mehr Geld benötigen? Wieso streiken die denn für sich und nicht für die Klientengruppen, die so richtig beschissen dastehen? (Wenn ich sehe, wie individuelle und konkrete Notlagen teilweise am Verwaltungsapparat abgeschmettert werden und scheitern, würde ich gerne manchmal ohnmächtig kotzen – und da wundern wir uns darüber, dass der Wohlfahrtsstaat nicht mehr als solcher wahrgenommen wird und wir ein „Demokratieproblem“ haben.)

    Wieso muss ich eigentlich für oder gegen etwas sein?

    Vielleicht habe ich persönlich auch irgendwie keine Lust, mich mit Wohlstandsproblemen deutscher Sozialarbeiter auseinanderzusetzen? Sind wir so schlecht bezahlt wie wir tun? Wie sieht es da woanders aus?

    • Hallo,

      auf die Kolleginnen und Kollegenschelte würde ich ungerne eingehen wollen.

      Dafür über das „ohnmächtige Kotzen“ weiter nachdenken.

      Z.B. was machen die Klienten eigentlich mit dem Gefühl, welche Unterstüzung bekommen sie von beruflich Handelnden der Sozialen Arbeit?
      Und wie werden die mit diesem Gefühl alleine gelassen. Von wem eigentlich? Wen sollte man hier schleunigst addressieren?

      Nebenbei: Wahrscheinlich Themen der Tagung im November
      Danke für eine, jede Antwort!

      Wilfried

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