Krieg

Nun befinden wir also mal wieder im Krieg…

Und irgendwie ereilt mich der Eindruck, dass das alles konsequent am Kern vorbei zielt.

Irgendwelche Ideen dazu hier in dieser Runde?

19 thoughts on “Krieg

  1. Hallo,
    wir befinden uns nicht im Krieg.
    Ich habe gerade meine Bio-Weihnachtsgans bestellt.
    Allen eine schöne, stressarme Vorweihnachstzeit.
    Wilfried

  2. Hallo,

    mein Vater musste am Russlandfeldzug teilnehmen, ein Onkel war in Stalingrad, ein Onkel ist gestorben, meine Mutter ist mit 2 kleinen Kindern (meinen Brüdern) aus Schlesien im Treck geflohen. Morgen treffe ich Flüchtlinge aus Syrien.
    Sowohl meinen Eltern als auch den Menschen gegenüber, den ich morgen helfen möchte, finde ich es ungebührlich, meine Lebenssituation mit dem Wort Krieg zu bezeichnen.

    Gerade aus Respekt vor den Soldaten, die tatsächlich ihr Leben riskieren, halte ich es für unpassend, alle anderen Lebenssituationen auch unter den Begriff Krieg zu fassen.
    Sorry, nach meiner Einschätzung befinden sich die meisten meiner Mitbürger im Kampf um die Weihnachstgeschenke.

    Wie wir „unsere“ Situation angemessen beschreiben, scheint mir nicht mit der Gegenüberstellung von Krieg und Frieden zu schaffen zu sein.

    Wilfried

    • Ich finde es auch Schwachsinn, aktuell von Krieg zu reden. Die Unterscheidung Krieg/Frieden erscheint mir völlig irreführend angesichts gefühlter Bedrohungslagen durch Terror:
      Schön, wenn wir uns hier einig sind. Wer sagt´s den anderen?

  3. Literaturempfehlung dazu: Barbara Kuchler: Kriege. Eine Gesellschaftstheorie gewaltsamer Konflikte (2013)

    Übrigens : Wahrscheinlich zum Geburtstag am 8.12.:
    Lippische Landes-Zeitung-07.12.2015
    Das Niklas-Luhmann-Gymnasium hat ab sofort eine neue Schulsozialarbeiterin.

    Ob sie sich wohl mehr der vor- oder der nachautopoietischen Schule zurechnet?

  4. Zm Thema Sklaverei, das ich hier einfach mal der vereinfachten (?) Komplexität halber zum Thema Krieg ansetze:
    „Ich sagte zu ihm: Du verstehst nicht. Es ist ein Zustand, der völlig aus der Welt geschafft werden muss. Es geht nicht nur um das Leid der Hinterbliebenen und ihrer Nachfahren. Wenn der Schmerz und der Schrecken einmal in den Boden gesickert sind, wie wollen sie je wieder vertrieben werden, wer wird das Land reinigen? Wer wird es vor den Keimen der Gewalt bewahren, die in den Nachfahren aufgehen werden, in den Enkeln und in den Urenkeln, die eine andere Sonne sehen müssen als jene, die ihre Vorfahren gesehen haben?“ (So Ilja Trojanow : Der Weltensammler, S. 450)

    Übrigens hat meine Großmutter, die heuer 80 wurde und 1946 mit Familie vertrieben wurde, heute alleinlebend, nach langen Diskussionen mit ihren Nachfahren nur (!) noch zwei große Gefriertruhen und zwei große Kühlschränke, die allesamt rappelvoll sind. Dazu sind zwei Räume in ihrem Haus voll mit Konserven, Mehl, Reis, Öl, Nudeln und mindestens 20 Litern H-Milch. Heizmaterial reicht auch für mindestens 5 Jahre.
    Sie ist vorbereitet auf den nächsten Krieg.
    In einer Ausgabe des „Küchenradios“ erzählte einer der Moderatoren von seiner Marotte, seine Wohnungen unbewusst immer in unmittelbarer Nähe zu einer Bäckerei gewählt zu haben. Er brachte dies dann zusammen mit seinem „kriegs- und damit hunger-erfahrenen“ Vater, der noch immer gelegentlich mit Genuß schimmliges Brot esse.

    Wer einfach so Krieg ausruft (als Einzelperson, in einer Sprecherrolle für Organisationen oder Netzwerke jedweder Couleur), sollte in die Augen derer zu sehen gezwungen werden, die Krieg erlebt und überlebt haben.

    E.S.

  5. Es ist für mich sehr schwierig auf den Begriff zu bringen und in eine sinnvolle Tat umzusetzen, was ich für unhintergehbare Werte halte.

    Gegen Pegida, Horst Seehofer und eine Reihe von Regierungen zu sein, finde ich nicht schwer. Von den „verwerflichen“ Handlungen anderer zu profitieren, gelingt mir auch ganz gut.

    Eine professionelle Perspektive zu benennen, die über das vorhandene Set an Begriffen und Konzepten hinaus geht, erscheint mir notwendig zu sein und gleichzeitig ein Ziel, dass ich nicht schaffe.
    Fürs Aufgeben erscheint es mir aber noch zu früh zu sein.

    Wilfried

  6. Ja. Wenn ich anfange und versuche, „das“ in Worte zu fassen, drehe ich mich im Kreis, komme in einerseits/andererseits-Konstruktionen und widerspreche mir vielleicht gar selbst.

    Vielleicht liegt gerade darin eine Form von Professionalität: In der Annahme, dass Entscheidungen in Kontexten getroffen werden. Der Eindruck, der sich anbietet, ist oft nur offensichtlich und dient der Begründung eigener Perspektiven und Hypothesen, die unbemerkt zu (unhinterfragten) Eigenwerten führen. Mit dem „Wissen“ dieser Annahme ausgestattet, lohnt es sich m.E., genauer hinzuschauen. Und vielleicht ist es auch vielleicht ganz sinnvoll, nicht immer was zu sagen zu haben.

    Wenn ich über unhintergehbare Werte nachdenke (allein über diesen Nebensatz könnte ich sehr lange nachdenken: Wer oder was denkt denn da überhaupt? Kann dieser „wer“ überhaupt darüber entscheiden, was er denkt oder nicht denkt? Von wem oder was wird er gedacht? Usw. usw.)…

    Also: Wenn ich über unhintergehbare Werte nachdenke, lande ich bei ganz abstrakten Ideen und Begriffen, wie „Leben“, „Identität“, usw.

    Die Systemtheorie stellt mir da einen schönen Begriffskanon zur Verfügung, mit dem ich über Begriffe wie Autopoiesis und operationale Schließung, usw. noch einmal eine weitere Abstraktion verwenden kann.

    Wie sich das jetzt in praktische Handlung überführen lässt, kann ich auch nicht sagen. Ich habe da vielmehr den Eindruck, dass sich das mit dieser Brille auf der Nase „von selbst“ ergibt. Aber da führe ich mich vielleicht selbst an selbiger Nase herum…

    😀
    Eine schöne Adventszeit!
    Michael

  7. Diek Baecker hat am 1./2.12 folgendes zu Krieg getweetet:
    Der Haken: Wenn man „Krieg“ sagt, erkennt man den konkurrierenden Anspruch an, wenn man „Terror“ sagt, weist man ihn zurück.

    Grüße
    E-S

    • Auf der anderen Seite: Was für uns „nur“ Terror ist, ist für andere „richtig“ Krieg.
      Die Frage im Hinblick auf eine Beteiligung an einer militärischen Kampagne für mich ist, ob kurzfristiges Zurückschlagen mit oder ohne langfristige Strategie stattfindet? Und im Hinblick auf das „mit“ habe ich so meine Zweifel, da ich da nix erkennen kann.

      • Meine Überlegung ist, über die konkurrierenden Ansprüche nachzudenken.

        Und die konkurrierenden Ansprüche sowohl hinter dem Begriff „Krieg“ wie hinter dem Begriff „Terror“.

        Das erste Ziel könnte darin bestehen, die konkurrierenden Ansprüche erstmal zur Kenntnis zu nehmen. Und sie zu differenzieren. Bei dieser Differenzierung nicht sofort nur auf die eigenen bekannten Muster zurück zu greifen, halte ich für unbedingt notwendig. Wir verfügen doch über kollektive Erfahrungen, dass der Franzose, der Jude, der Russe keine vertretbaren Zuordnungen sind. Ttotzdem klappen Muster wie der Nazi, die Pegida, der Muslim gut.

        Im Anschluss an Nassehi würde ich vermuten, wir tun uns mit der Anereknnung der konkurrierenden Ansprüche so schwer, weil damit deutlich würde, dass die eigenen Ansprüche durchaus auch bestritten werden können.

        Danke für die Diskussion, Wilfried

        • Junge Menschen zu sensibilisieren, die Enge radikaler Weltbilder abzulehnen, erscheint als wichtige Komponente präventiver Multiplikation zwischen den Kulturen. Ausgangspunkt sind Gemeinsamkeiten im sozialen Nahraum, lokal oder durch verbindende Interessen befähigen zu Anerkennung eines von gemeinsamen Werten getragenen Gedankengebildes.

  8. Also gemäß dem Klappentext von „Beobachter unter sich“:
    „Beobachte Beobachter. Nenne Kultur die Anerkennung der Position eines Beobachters unter dem Gesichtapunkt der Kontingenz dieser Position.“?

    Grüße,
    E.S.

    • Hallo,
      es geht mir nicht um die Systemtheorie oder die Kulturtheorie Dirk Beackers.

      Die Eingangsfrage war ja darüber nachzudenken, um was es aktuell geht, wenn in der öffentlichen Diskussion der Begriff Krieg leitend wird.
      Wir waren uns über einen sparsamen Gebrauch einig, kamen auf die unterschiedlichen Perspektiven und die Schwierigkeiten, die dahinter wirksamen Dynamiken zu benennen.

      Anerkennung, eher im Sinne von Axel Honneth (Fraser/Honneth: Umverteilung oder Anerkennung) scheint mir eine Kategorie zu sein, die bei den zahlreichen kontroversen Gegenüberstellungen weiter hilft. Die heftrigen Kontroversen sind ja innerhalb des Landes, der EU usw. deutlich zu erkennen. Ich gehe davon aus, dass sie auch in der Sozialen Arbeit zu finden sind.
      Ich würde gerne die Idee weiter verfolgen, dass uns das Nachdenken über Fragen der Anerkennung aus den gleichförmigen Kreisläufen normativer Art oder praktischer Art zu argumentiern rausführt.

      Ich bezweifele, dass noch mehr normative Forderungen oder noch mehr Hinweise auf praktische Probleme weiter helfen. Der Glaube an den Segen systemischer Beschreibungen hilft mir auch nicht so recht.

      Grüße,
      Wilfried

    • Hallo,

      für Alle, die keine Lust, Zeit oder Möglichkeiten haben, sich mit Fraser/Honneth zu beschäftigen, hier 2 Punkte.

      1. Worum gehts bei Fraser/Honneth?
      Anerkennung ist eine Schlüsselgröße, da allenthalben soziale Identitäten unklar sind.
      Nancy Fraser und Axel Honneth streiten: ob der Kampf um Umverteilung (von Ressourcen, Rechten, Aufmerksamkeit zu Gunsten von Benachteiligten) im Rahmen des Begriffs Anerkennung zu führen ist (Nein, sagt Fraser) oder ob nicht Anerkennung die grundlegende, moralische (und praktisch erfahrende) Kategorie sein sollte, die Umverteilung ermöglicht (Ja, sagt Honneth).

      2. Warum soll das Wichtig sein?
      Ich glaube, Anerkennung und Umverteilung gehören sehr eng zusammen. Mir scheint Anerkennung so wichtig zu sein, weil wir nicht die Anerkennung unserer sozialen Ordnung (Wertvorstellungen usw.), ohne die Anerkennung der sozialen Erfahrungen, Vorstellugen und Hoffnungen der Anderen fordern können.

      Die differenzierte Wahrnehmung der Situation, der Geschichte und der Kontexte – auch der Kritiker und der unbeholfen Argumentierenden – halte ich für den Schritt in die richtige Richtung.
      Um welche Anerkennung (für was, zu welchem Zweck) geht es wem eigentlich? Welche Anerkennung ist mir, unserer Organisation, unserem Milieu eigentlich wichtig?

      Gute Zeiten wünscht
      Wilfried

      • Ja. Es wird nur allzu oft so getan, als könne der andere einfach mal so raus aus seiner Haut. Dabei schafft man es ja selbst (fast) nicht. Die Anerkennung des Gegenübers in seinem So-Sein (wie er eben ist bzw. mir zu sein scheint) lässt mich überhaupt erst darüber nachdenken, wie wir beide es schaffen könnten, Veränderung, Umverteilung oder wie auch immer man das nennen mag, zu aktualisieren – auch wenn mir das nicht zwingend gefällt, was der andere macht…
        LG
        Michael

  9. Hallo Michael,

    ich meine das nicht so allgemein, sondern viel konkreter.
    Z.B. kommen ja viele aktuelle Schweirigkeiten aus den Versäumnissen der Vergangenheit. Das gilt auch für die Soziale Arbeit – die systemisch inspirierte Soziale Arbeit – und ihre geführten und nicht geführten Debatten. Da könnte man einiges anerkennen. Mir fallen da eine Reihe von weniger tauglichen Unterscheidungen ein. Für meinen Geschmack würde ich mir mehr Unterscheidungen nach guter/schlechter oder gelingender/nicht gelingender bzw. passender/Nicht passender Sozialer Arbeit wünschen. Oder die Unterscheidung nach mutloser und konzeptloser Sozialer Arbeit. In Kreisen der systemsich Gebildeten kamen mir häufig die HInweise auf die Beobachterabhängigkeit dieser Unterscheidungen irgend wie schal vor. Wie abgestandenes Bier (war Bier, ist Bier, aber warum soll ich es trinken?).
    M.L. Conen hat m.E. in ihrem Vortrag einige Beispiele für weiterführende Anerkennung gebracht, als sie „systemische Illusionen“ (Kassenanerkennung) und Versäumnisse (Kontextvergessenheit) benannte.

    Vielleicht kommen wir geeinsam weiter.
    Schöne Tage, trotz Vorweihnachtszeit

    Wilfried

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