Ich gestehe, dass ich zu den Leuten gehöre, die mit diesem Leitsatz im Rahmen ihres Heranwachsens durchaus hin und wieder konfrontiert wurden. An diesen musste ich jetzt gerade bei den Überlegungen von Sascha Lobo denken: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-zu-donald-trump-wir-schlittern-in-die-schreispirale-a-1076632.html
Bei all dem Geschrei der Medien über Trumps Geschrei, sollten wir die sozialen Medien nicht immer nur verteufeln. Da sie Teil der Alltagswelt für uns und unsere Klienten geworden sind, sollten wir vielmehr Wege finden, sinnvoll mit ihnen umzugehen.
Siehe hierzu den Beitrag von Naleppa und Hosemann „Digitale Transformation und Soziale Arbeit“ im Sozialmagazin 2, 2016, Seite 84 – 91
Hallo,
vielleicht ist der Spruch aber doch bloß eine pädagogische Maßnahme um Nachfragen und Ansprüche abzublocken?
Warum soll der Schrei der Unterdrückten Unrecht sein?
Gibt’s verbindliche Vorschriften für Schreie?
Hat mal einer Mitgezählt wie oft Schreie als Formfehler gewichtiger waren als die Nöte?
Soziale Schreie sind zur Zeit viele zu hören, die sozial angemessenen Übersetzungen fehlen leider oft.
Wilfried Hosemann
Haben wir hier Ideen für Entscheidungs- und Verantwortungsträger, wie mit dem Geschrei und dem Schweigen verfahren werden soll?
Hallo,
mein Vorschlag ist Folgender:
1. Tat und Täter unterscheiden
Neutraler formuliert heißt es: zwischen Handlung und Handelndem unterscheiden. Die christliche Version heißt: Gott liebt den Sünder nicht die Sünde. Systemische Interpretation bestehen darauf, dass nicht „Sein“ sondern „Beziehungen“ zum Ausgangspunkt für Überlegungen genommen werden.
2. Zwischen Form und Inhalt unterscheiden
Die Form des Protestes – Gewalt, Geschrei, Selbstverletzung, Pöbelei – nicht zum Inhalt des Protestes machen. Die unzulängliche, z.B. sich selbst schädigende, Form des Protestes sollte nicht den Blick auf Anlass, Inhalt oder Angemessenheit verstellen.
3. Die Geschichte hinter der Geschichte entdecken
Die aktuellen Formen des Geschreis mögen in keiner Weise zu den Anlässen passen und der „gesunde Menschenverstand“ sagt einem, das ist inakzeptabel, unfair und völlig daneben: richtig, nur es bleibt eine Entscheidung sich für oder gegen die Geschichte hinter der Geschichte zu interessieren; z.B. wer will Angst vermitteln, weil er Angst hat, wer will „Scheißgefühle“ vermitteln, weil er selber voller „Scheißgefühle“ ist?
4. Und fragen: Wer profitiert wie?
Die Leitfrage hilft richtig weiter: Wem nützt die Aufregung über die Aufregung? Welche Potenziale werden eigentlich durch das Geschrei bei den Hörenden mobilisiert? Und wie werden die Potenziale eingesetzt? Wer schreit hat Unrecht, sagt der mit den besseren Nerven (Konto, Manieren) leichter.
All die Ebenen lassen m.E. gut auf aktuelle Ereignisse in Sachsen und in den USA anwenden.
Wilfried
Hallo an Alle,
wer schreit hat Unrecht? Die Frage ist doch vielmehr, was ist mein normativer Bezugspunkt, von wo aus ich das Geschrei betrachte und höre. Ich kann zwar die vier vorgeschlagenen Punkte von @Wilfried analytisch anwenden und systemisch in die Tiefe der relationalen Beziehungsmuster gehen, die Wertung des Inhalts von Geschreis ist damit aber noch nicht geleistet. Und ob jedes Schreien gleich eine Krisenkommunikation bedeutet, ist auch fraglich.
Ich finde es hier zentral, ob man den Schreienden und seine Bedürfnisse, Wünsche anerkennt oder nicht. Auch wenn die Unterscheidung von Tat und Täter nobel ist und es für eine professionelle Haltung essenziell ist, wird sie von den wenigsten ehrlich und aufrichtig eingenommen. Denn zündet jemand zum Beispiel ein Flüchtlingsheim an, werde ich seine Tat nicht mehr von seiner Person trennen. Denn er verfügt über verinnerlichte Werte, die ich zutiefst abstoßend finde. Ich werde hier nicht nur die Tat bewerten, sondern auch immer eine Wertung des Menschen tätigen, der diese Tat zu verantworten hat. Unprofessionell ja – kurzsichtig vielleicht. Ich bin halt kein omnipotenter netter Mann mit Bart aus dem neuen Testament….
LG
Markus
Hallo zusammen!
Ich bin zwar auch kein omnipotenter netter Mann mit Bart aus dem neuen Testament….ich probiers aber dennoch mal:
Leider sind Schreie meist nicht sehr umsichtig. Wenn ich selbst nicht auch im Konfliktstress stecke, dann gelingt es mir eher durch den Blick auf die Vorgeschichte zu beobachten, wie mein schreiender Mitmensch nach Mißachtung (Ächtung) bzw. Aberkennung wieder Achtung und Anerkennung will. Mit so einer Funktion des Schreiens kann nach entwerteten Biografien und Lebensleistungen gefragt werden und auch manche Zurückweisung medialer „Einredungen“ nachvollzogen werden. Vielleicht wollen ja manche „—gida-Leute“ nach Jahren uneingelöster wohlfeiler (sozial)politischer Versprechungen als „irrelevanter“ Mehrfachexkludierter nicht einfach nur ruhig in ihrem Prekariat sitzen bleiben?
Ich will verstehen ohne Verständnis haben zu müssen.
Wer artikuliert (stellvertrend) diese ÄCHTUNG/Achtung jenseits von Zahlen-Daten-Fakten (ZDF)?
Hier sehe ich auch ein mediales Problem, wenn kritisch-hintergründige Beobachtung medialer Konstruktionen ins Kabarett abgewandert ist https://www.youtube.com/watch?v=5_c2-Yg5spU
Hoffnung sehe ich derzeit in crowdfunding-finanzierten Angebote, wie hier: http://www.nachdenkseiten.de/
oder hier: http://www.hintergrund.de/201603013865/politik/inland/die-humanistin.html
Da finde ich zumindest auch immer wieder auch Hinweise auf die Frage: „Wer profitiert?“
Liebe Mitschreier und selbstredend -schreierinnen;
auch ich hatte, fast schon automatisch (wieso eigentlich) den Impuls der Entgegnung „Wer schreit hat Unrecht“ zuzustimmen. Unser (mein) täglicher Umgang mit den eigenen Kindern, mit schlecht gelaunten Studenten /innen, oder gar quengelnden Klienten verführt dazu das „Stop-Argument“ oder die arogante Einforderung von Höflichkeit im Argumentationsprozess einzufordern. In meiner Studentenzeit Ende der 60er Jahre fanden wir es fast schon „zum guten Ton gehörend“, dem vemeindlich zum Establishment gehörenden Prof. „da vorn“ mal gehörig laut den Marsch zu blasen. Ich hab, im Nachhinein, öfter Abbitte geleistet, einmal habe ich sogar eines der damaligen „Opfer“ aufgesucht, um mich zu entschuldigen.
In meiner Hochschullehrerzeit (und das waren doch fast 34 Jahre) hätte ich mir manchmal gewünscht, dass meine studentischen Gegenüber mehr „aufschreien“ würden, Nun, diese Klage weist wahrscheinlich eher darauf hin, dass wir Hochschullehrer unsere Studenten zu wenig darauf hinwiesen, dass es genügend Grund gibt, auch „unhöflich“ aufzuschreien.
Der Spiegelartikel über die Perpetuierung der Ungleichheit (siehe: http://spon.de/aeGZE) ist ein solches Beispiel, das man kaum aushalten kann, ohne aufzuschreien. Wenn ich bei der Lektüre solcher Daten nicht mehr aufschreie, dann bin ich entweder in das andere Leben der Demenz abgesunken oder hab das Irdische mit etwas anderem ausgetauscht.
Deshalb, lasst uns immer wieder aufschreien, es ist ja sonst kaum zum Aushalten;
euer
Hubert
Schreien ist ja schön… so zum Markieren eines schreiwürdigen Zustandes. Nur – was kommt dann?
Hallo,
na da kann man m.E. sich zunächst drei Zusammenhänge anschauen:
1. Wie verhält sich der Schreier jetzt?
2. Wie entwicklet sich die Beziehung Schreier-Angeschrieener?
3. Wie verhält sich der Angeschrieene?
Die Idee kann man z.B. bei Pegida ausprobieren.
1. Was machen Pegida-Bestätiger jetzt: Fühlen sie sich von der Aufmerksamkeit, dem ausgelösten Ärger bestätigt, fühlen sie sich ermuntert, angspornt? Was wollen sie erreichen?
2. Wie verändert sich die Beziehung? Werden die Beziehung, Kommunikationskanäle breiter ? Verschieben sich Einflusspotenziale?
Wird mehr oder weniger kommuniziert?
3. Was macht der Angeschrieene? Werden die Pegida-bestätiger ausgegrenzt, entwertet, wird die eigene moralische Überlegenheit gefeiert? Auf welche vorgefertigten Einschätzungen wird zurück gegriffen? Wie viel Bereitschaft neu zu hören (zu denken) wird aktiviert? Was wird Neues kreiert?
Die Ausgangsfragestellung, was passiert nach dem Schrei, lohnt sich.
Wilfried
ich schrei mal eben „HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM HEUTIGEN WELTTAG DER SOZIALEN ARBEIT!
15.03.2016
http://ifsw.org/world-social-work-day-2016/
Zwischen Hasen und Hühnerbrut fast zu leise, Norbert Bolz zwitscherte am 28.märz 2016 vermutlich in aller Ruhe folgendes:
„Die Superreichen und die Celebrities müssen wohltätig sein, um nicht als Parasiten zu erscheinen.“
Und mit Heinrich Heine ließe sich der Volume-Regler etwas höher drehen…
Auf dem Weg!
D