Organisationen Sozialer Arbeit orientieren sich (wie andere Organisationen auch) in ihrer Entscheidungsfindung an ihren systeminternen Erwartungen. So ist es kein Wunder, dass bisherige Untersuchungen (Schrapper u. a. 1997) bspw. zu Entscheidungen der Jugendämter bei Hilfen zur Erziehung darauf verweisen, dass es die Haltungen der Organisation Jugendamt sind, die abschließend darüber entscheiden, ob ein Kind ambulant, teilstationär oder stationär betreut wird.
Auf der anderen Seite bestehen Kopplungen zu Organisationen anderer Teilsysteme, bspw. der Medizin, Politik usw.
Ich frage mich (hier ein Beitrag von Frank Eger) ob aufgrund der (Definitions-) Macht von Politik und Medizin davon ausgegangen werden kann, dass Jugendämter tatsächlich autonom entscheiden.
Autonomie (operationale Schließung bzw. Autopoiesis) geht nicht ohne Abhängigkeit (strukturelle Kopplung). Es lohnt sich m.E. nicht, darüber nachzudenken, ob eine Entscheidung in Autonomie oder Abhängigkeit getroffen wird. Daran kann man sich im wahrsten Wortsinn aufhängen und entscheidungsunfähig werden/bleiben. Mich interessiert da mehr die Reflexion, welche autonomen und welche abhängigen Anteile eine Entscheidung beinhaltet.
Hallo in die Runde,
grundsätzlich erst einmal ein Dank für das praxisnahe Diskussionthema.
„Ich frage mich (…) ob aufgrund der (Definitions-) Macht von Politik und Medizin davon ausgegangen werden kann, dass Jugendämter tatsächlich autonom entscheiden.“ Ich kenne derlei Fragen aus meinem Studium, der Arbeit im DBSH und sonstigen Kontexten meines Arbeitsalltages in einer Art gestellt, die auf einen Makel hinweisen sollen. In diesem Sinne schließe ich mich dem vorherigen Beitrag an und spiele mittlerweile in derlei Situationen das Spiel der Gegenfrage:
„Sind denn Organisationen bekannt, die anderen Funktionssystemen zugeordnet werden und wirklich autonom entscheiden?“ Mir jedenfalls nicht. Jedes noch so neoliberal daherkommende Wirtschaftsunternehmen ist in hohem Grade abhängig von den Erwartungen anderer Funktionslogiken. Dieser Gedanke stärkt meine professionelle Autonomie und mein professionelles Selbstbewusstsein mehr als die Relativität einer aus welchen Gründen auch immer wünschenswerten Autonomie Sozialer Arbeit oder derer Organisationen. Ein Hoch den strukurellen Kopplungen! 🙂 Möge sie Soziale Arbeit im Sinne der Adressaten gestalten.
Ja, strukturelle Kopplungen sind gesellschaftliche Realität und insofern ist Soziale Arbeit bei allem Wunsch nach Autonomie auch immer auf Kopplungen zu anderen Funktionsbereichen angewiesen. Wenn es gut läuft, findet ein Austausch statt, von dem beide Seiten profitieren.
Diese Diskussion findet nicht zuletzt in Jugendämtern statt. Sind es die Mediziner aus der Ki-Ju-Psychiatrie oder Verwaltungsbeamte aus der Stadtverwaltung, deren Stellungnahme gleichzeitig die finale Entscheidung bei HzE bedeutet ?
Auch in den Fakultäten Sozialer Arbeit können wir den Anspruch struktureller Kopplung, insbesondere von Vertretern der Bezugsdisziplinen geäußert, beobachten. Es wird dann allerdings häufig ein anderer Begriff verwandt: der der Interdisziplinarität. Ich bin der Ansicht, dass Interdisziplinarität besonders dann für Soziale Arbeit Sinn macht, wenn der Einfluss aus der Sozialen Arbeit gesichert wird.
Also: ein Hoch auf die strukturelle Kopplung ! Und lasst uns sicherstellen, dass die abschließende Entscheidung im Jugendamt zu den HzE von dem fallführenden Sozialarbeiter getroffen wird !